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Dokumentation 100 Jahre Alpe Rauz

die Kälber allein, wenn die Kühe gemolken wurden. Ich bin in einer Landwirtschaft aufgewachsen und konnte mit dem Vieh gut umgehen. Angst hatte ich keine vor dem Vieh, eher ein Naheverhältnis, wenn die Tiere zu mir gekommen sind und ich sie gekrault habe. Respekt hatte ich vor dem Alpstier, den ich nur eintreiben, aber nicht anbinden durfte und der mir auch nichts getan hat, aber auf den Rinder-Kleinhirten losging, wenn dieser die Pelerine anhatte. Die Kühe wurden auf die Wiesen um die Alphütten und in das Valfagehr hinauf auf die Weide getrieben. Sie wurden am Morgen und am Abend vom Senn, dem Zusenn und dem Kuhhirten gemolken, die die Milch in die Sennhütte brachten, wo das Milchmass von jeder Kuh aufgeschrieben wurde. Die Milch wurde in die Kessi oder in mehrere Brenten geleert, flache runde Holzgefässe, aus denen dann tags drauf der Rahm mit der Rahmkelle abgeschöpft und im Butterfass zu Butter gerührt wurde. Aus der restlichen Milch wurde vorwiegend Sauerkäse und Magerkäse gemacht, der dann regelmässig umgekehrt werden musste. In Erinnerung ist mir auch noch, wie wir mit dem Ross den Mist auf einer „Zugpenna“, einem einachsigen Karren mit zwei Deichseln, ausgebracht haben. Schwierig und gefährlich war das Hüten der Rinder auf der unübersichtlichen, mit Büschen überwachsenen Schattenseite, wo manchmal ein Stück verloren ging und ich beim Suchen mithelfen musste. Auf der Schattenwand ist uns einmal auch ein Tier verunglückt. Die Rinder wurden im Hochsommer auf die Hochalpe zur Ulmer Hütte hinaufgetrieben, wo der Rinderhirte und sein Hüterbub übernachten konnten. Überhaupt, wir hatten eine gute Kameradschaft und man war sich gegenseitig behilflich. Es konnte auf der Rauz auch im Sommer unverhofft schneien und wir mussten dann mit den Rindern vom Valfagehr abfahren. Ich erinnere mich noch gut, wie es an einem 15. August bei Nebelwetter zu schneien begann und einen halben Meter Schnee her warf. Wir mussten dann das Vieh im Stall der Sennhütte und den anderen drei Ställen unterbringen und die Tiere mit dem von den Bauern gebrachten Heu ein paar Tage füttern. Unterhalb der Flexenstrasse gab es noch eine Schneeflucht, doch in dieser Talsenke waren schon kleine Bäume für den Wind- und Lawinenschutz angepflanzt, auf die wir bei der Weide zu achten hatten. Die Alpe Rauz war, wie wir sagen, ein richtiges Schneeloch. Erinnern kann ich mich noch an das Barackenlager an der Flexenstrasse, wo anfangs des Krieges belgische Kriegsgefangene interniert waren. Die etwa zehn Baracken waren mit Stacheldraht eingezäunt und die Gefangenen wurden von Soldaten bewacht. Die Inhaftierten mussten schwere Arbeit im Steinbruch und beim Ausbau der Arlbergstrasse in der Strecke vom Bauhof bis zur Talkehre leisten. Wir haben zu den Soldaten und den Gefangenen Distanz gehalten und sind ihnen eher aus dem Weg gegangen, besonders wenn wir mit dem Vieh am Gefangenenlager vorbeizogen. In unseren Gesprächen beim Hüten oder in der Sennhütte war der Krieg das Hauptthema. Gemütlich wurde es, wenn Gerold Schädler am Abend auf der Zither spielte und wir mitgesungen haben. Das Leben auf der Alpe war jedoch sehr bescheiden. Zu essen gab es am Morgen Brot, Butter und Käse mit kuhwarmer Milch, am Mittag meist Knöpfli ohne Salat, der auf 125


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