100 Jahre Alpe Rauz 71 » » Zeitzeugen berichten Ich weiss noch, wie wir beim Alpauftrieb morgens um drei Uhr das Vieh zuerst zum Zollamt Schaanwald und dann nach Feldkirch zum Bahnhof brachten. Beim Zoll trieb man das Vieh zuerst auf eine Wiese mit einem hohen Zaun, damit der Grenztierarzt, nachdem er die Ohrenmarken abgelesen und vermerkt hatte, die Tiere auf ihre Gesundheit kontrollieren konnte. Von Schaanwald aus führte dann jeder Bauer sein Vieh zum Verladen nach Feldkirch. Ab den Sechzigerjahren brachten wir wegen des zunehmenden Verkehrs das Vieh zum Verladen direkt nach Nendeln an den Bahnhof. Mitte der Siebzigerjahre, als Franz Oehri Alpmeister war, haben wir dann begonnen, das Vieh mit Lastwagen auf die Alpe zu transportieren. In Erinnerung geblieben ist mir auch, wie wir mit der Molkekiste, einer flachen Holzkiste mit einem Deckel, auf einem Handwagen die Alpbutter und den Alpkäse abholten. Die Molke wurde im Kellerraum des alten Schulhauses nach dem Milchmass ausgewogen und verteilt. Zu Hause wurde dann die Butter ausgekocht und das Butterschmalz in Tongefässe gegossen. Der Süsskäse und der Sauerkäse wurden im Keller im hölzernen Molketrog aufbewahrt. In meiner Zeit konnten wir bei einem Kälteeinbruch das Heu unverzüglich von Gamprin aus mit Lastwagen zur Alpe führen. Die ältere Generation musste noch auf der Alpe heuen, um einen Heuvorrat für Tage mit Schnee anzulegen. Früher, als noch die meisten Familienangehörigen in der Landwirtschaft beschäftigt waren und ein Grossteil des Viehs auf die Alpen gebracht wurde, standen zwar mehr Leute zur Verfügung, doch es war weit beschwerlicher, auf die Alpe Rauz zu kommen. In meiner Zeit mussten der Alpmeister und die Bauern alles stehen und liegen lassen, um unverzüglich beim Schneewetter oder anderen dringenden Angelegenheiten auf der Alpe mitzuhelfen. Wir fehlten dann zu Hause in der Landwirtschaft und im Stall, weil kaum noch Angehörige oder Aushilfskräfte zur Verfügung standen. Karl-Heinz Oehri (1957) hat vom Elternhaus her eine tiefere Verbindung zur Alpe Rauz. Er denkt noch zurück, wie er als Schulbub früh am Morgen das Vieh nach Nendeln getrieben hat, wo die Tiere vom Veterinär kontrolliert, in die Waggons verladen und mit der Bahn nach Langen geführt wurden. Von dort aus wurde das Vieh zwischen den Autos auf der Passstrasse zur Alpe Rauz hinauf getrieben. In den Siebzigerjahren setzte sich mein Vater als Alpmeister besonders für die Alpe Rauz ein. Ich kann mich erinnern, wie er bei Problemen ans Telefon gerufen wurde und spät am Abend noch auf die Alpe Rauz fahren musste. Schwierig war es vor allem mit dem als Wilderer bekannten Hirten Roland Fitsch, bei dem das Vieh auch von benachbarten Alpen abgeholt werden musste, weil der Hirt andernorts beschäftigt war. Um zur Ulmer Hütte und ins Valfagehr zu kommen, benutzten sie früher manchmal auch die Materialseilbahn. Einmal war auch Gebhard Hasler mit dabei, der sich ängstigte, in die Holzkiste einzusteigen. Nicht unberechtigt, denn zwei Tage darauf stürzte die Holzkiste bei einem Transport ab. Ich habe dann durch die Übernahme der Jagd in den Jahren 2005 bis 2009 die Alpe Rauz erst richtig kennen gelernt. Der Jagdaufseher Rudolf Mathis hat mich mit den Fluren und Grenzen des Jagdgebiets vertraut gemacht. Durch den Strassenverkehr, den Wintertourismus und die extremen Wetterbedingungen gibt es auf der Hochalpe nicht viel Wild zu erlegen. Die Jagd konzentrierte sich auf die schwer zugänglichen Schrofen des Valfagehrtals, wo sich vor allem das Stein- und Gamswild aufhält. Das Rehwild und vereinzelt auch Rotwild sind auf der Schattenseite und in der Engi anzutreffen, wo ich im Jahre 2007 einen Junghirsch erlegen konnte. Karl-Heinz Oehri ist als Gampriner nicht nur die Jagd, sondern auch der gesamte Alpbetrieb auf der Rauz ein grosses Anliegen. Für die Zukunft der Alpe Rauz wünscht er sich, dass der Natur- und Alplandschaft mit ihrer ökologischen Vielfalt mehr Bedeutung beigemessen wird. Vor allem auch, dass das Wild durch die Bautätigkeit und den Skitourismus nicht weiter vertrieben und im Wintereinstand bei den Schrofen des Valfagehrtals nicht gestört wird. So hofft er, dass auf der Alpe Rauz künftig in der Alpwirtschaft und im Skitourismus nicht nur ein wirtschaftlicher, sondern zur Erhaltung der Alp- und Naturlandschaft auch ein ökologischer Interessenausgleich gefunden wird.
Broschuere 100 Jahre Alpe Rauz
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